Dienstag, Juli 17, 2007
















Basti Nizamuddin: Ansichten

Dienstag, Oktober 10, 2006

Müllerfahrungen

Ich reise im Zug von Agra nach Delhi. Ich habe gerade mein unglaublich leckeres indisches Take Away Abendessen genossen und zurück bleibt: Müll.
Wohin damit? Mein Augen spähen durch den Wagen, doch nirgenwo ist ein Mülleimer zu entdecken. Auch mein Gang zu dem Raum zwischen den Wagons ist erfolglos.
Als ich zu meinem Platz zurückkomme, sehen mich meine indischen Mitreisenden mit dieser typisch indischen Mischung aus Hilfbereitschaft und Sensationslust an. Ich versuche ihnen mein Problem zu schildern. Ein Familienvater deutet aus dem Fenster. Ich weiβ, er hat noch vor einiger Zeit seinem kleinen Sohn gezeigt, wie man richtig Müll aus dem Zugfenster wirft, aber das ist doch bestimmt nicht die einzige Lösung. Ich erinnere mich an den Zustand der Bahndämme und beginne an mir zu zweifeln. Ich versuche mir ernsthaft geistig vorzustellen, meinen Müll gleich aus dem Fenster zu werfen. Es fühlt sich furchtbar an.
Ich antworte halb scherzhaft, halb ernsthaft: “I just can’t do this, it’s a cultural thing. I am from Germany.” Die Inder und ich schütteln uns vor Lachen.
Mittlerweile hat die Szene auch den Schaffner angelockt. Ich frage ihn, was ich mit meinem Müll machen soll. Auch er deutet aus dem Fenster. Ich frage ihn mit einer vermutlich an Verweiflung grenzenden Ausdruck im Gesicht, ob nicht irgendwo in diesem Zug ein Mülleimer ist. Sein Gesicht bekommt einen väterlichen Zug: diesem armen Ausländer muss geholfen werden, schlieβlich ist er ja hier die Autoritätsperson. Er nimmt mich mit zu seinem Schaffnerkabuff. Ich erwarte dort den ersehnten Mülleimer. Doch auch dort ist keiner. Aber ich kann den Müll dort in die Ecke auf den Boden werfen. Wirklich? Es ist wirklich ernst gemeint. Ich werfe den Müll in die Ecke.
Ich habe Gewissensbisse, dass nun mein Müll im Raum des Schaffners liegt. Später kommt mir ein beruhigender Gedanke: Wahrscheinlich hat er den Müll, so bald ich nicht mehr in der Nähe war, sowieso aus dem Fenster geworfen.

Ich freue mich, dass der Respekt für die kulturellen Eigenheiten und Absonderlichkeiten der verschiedenen Menschen in Indien so groβ ist und mir wird ganz warm ums Herz.
Lebenszeichen

Ja, ich lebe noch! Ich habe den Blog nur lange nicht mehr geupdated, da der Bilderupload in der letzten Zeit nicht mehr richtig funktioniert hat und ich erst mal genug vom Bloggen hatte und mich dann, wie 75% aller Indienreisenden die Rache der Moguln erwischt hat und meine einzige signifikante Aktivität für drei Tage das Rennen von meinem Bett zur Toilette war.
Ziemlich direkt nach meiner Ankunft hatte ich einen grippalen Infekt mit folgender Bronchits und dann eine Woche lang juckenden roten Hautausschlag am ganzen Körper, der wohl durch die Hitze und extreme Luftfeuchtigkeit ausgelöst wurde und ich habe eigentlich die ganze Zeit einen trockenen Husten, schließlich bin ich hier ja in einer der Städte mit der weltweit höchsten Luftverschmutzung.
Irgendwie scheint der europäische Körper nicht wirklich auf den Indien vorbereitet zu sein und reagiert wohl mit einer Art Schock, der das Immunsystem lahmlegt und bei vielen Europäern ist die geistige Reaktion sehr ähnlich.
Was allerdings wirklich faszinierend ist, dass so viele Europäer sich nach Indien zurücksehnen, obwohl wir ehrlich zugeben müssen, dass wir nun wirklich nicht gerade für diese Ecke der Welt geschaffen sind.

Samstag, September 30, 2006

Mein Lieblingsbild aus dem “Gesünder Kochen”- Kurs im Home- Science Unterricht.

Mittwoch, September 27, 2006





Das erste Schuljahr

Für einige dieser Kinder ist das erste Schuljahr beim Hope Project etwas ganz besonderes, da sie die allerersten überhaupt in ihrer Familie sind, die jemals eine Schule besuchen. Die Lehrerin Mrs. Batra berichtet, dass sie die Kinder immer animiert ihr Wissen auch an ihre Familie weiterzugeben. So haben einige ihrer Schülerinnen bereits ihren eigenen Vätern die Grundlagen des Schreibens beigebracht, beginnend mit dem eigenen Namen.
Natürlich ist es eine besondere Herausforderung , diese Kinder zu motivieren, auch weiter zur Schule zu gehen. Aber ich denke, gerade diese Herausforderung führt zu der tollen Atmosphäre und dem lebendigen Unterrichtsstil hier.

Montag, September 25, 2006

Sirenen in Delhi

Ich schrecke aus dem Schlaf auf. Die Sirenen in Delhi heulen. Ich schaue auf die Uhr, die Zeit ist 3:19. Ist das ein Fehlalarm oder ein pakistanischer Erstschlag?

Immer mit der Ruhe, sage ich mir, das ist wohl nur der Weckruf für die Muslime in Delhi, denn heute beginnt der Fastenmonat Ramadan. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang essen und trinken die erwachsenen Muslime nicht, dafür gibt es abends ein groβes Festessen im Familienkreis. Die Atmosphäre gerade bei uns im Viertel soll wohl ziemlich faszinierend sein. Dann bin ich mal gespannt, auch ob ich morgen wieder von Sirenengeheul aus dem Schlaf geholt werde.

Freitag, September 22, 2006


Ein indischer Sommernachtstraum

Fotografiert bei einer Probe der Theater- Gruppe des Hope- Projects.



Ansichten von Basti Nizamuddin, "meinem" Viertel in Delhi.

Mittwoch, September 20, 2006



Butterflies

Gestern Abend habe ich mich zum ersten Mal mit den Butterflies getroffen. Das sind Kinder Jugendliche, die tagsüber auf der Straße leben, aber nachts in dem großen Klassenzimmer im Keller des Hope Projects einen sicheren Schlafplatz finden, da sie keine Verwandten mehr haben, die sich um sie kümmern können oder sie von zu Hause ausgerissen sind.
In ihrem Raum wurden Schließfächer eingebaut, so dass sie tagsüber, wenn der Raum für die Schule genutzt wird, dort ihre wenigen Habseligkeiten lagern können. Außerdem können sie abends dort etwas essen und auch duschen. Es sind die ganze Nacht zwei Nachtwächter präsent (einer von ihnen ist gleichzeitig mein Hindi- Lehrer), einer davon am Eingang, der die Kinder bei der Ankunft durchsucht, damit keine Waffen oder Drogen in ihren Raum gelangen können und einer, der mit ihnen im Raum schläft um dort Ansprechpartner für die Kinder zu sein und Auseinandersetzungen schlichten zu koennen.
Jeder der vielleicht auch nur auf Reisen mal einige Zeit obdachlos war, kann sicher nachvollziehen, dass drei der wichtigsten Bedürfnisse ein sicherer Platz zum Schlafen, eine Möglichkeit zum Waschen, eine Mahlzeit und ein sicherer Ort für seine Habseligkeiten sind.
Ich hatte natürlich einige Sorgen, was ich eigentlich tun sollte, wenn ich die Butterflies treffe, denn natürlich spricht kaum jemand von ihnen auch nur ansatzweise Englisch und ich habe auch durch meine Zivi- Zeit im Kinderhort wohl nur wenig nutzbare Erfahrungen mit Kindern mit einem solchen sozialen Hintergrund gewonnen. Glücklicherweise gibt es ein internationales Kommunikationsmittel: Spiele. Man sagte mir, dass das Kharam Board- Spiel sehr beliebt bei den Kids wäre und so wollte ich mir das Spiel zeigen lassen.
Als ich in den Raum kam, hatten es sich die ca. 15 Butterflies schon gemütlich gemacht, einige schliefen sogar schon auf Matten auf dem Boden (das ist normal in Indien), die anderen hatten sich vor dem Fernseher hingefläzt, die älteren Kids nahmen meine Anwesenheit nur kurz zur Kenntnis und nachdem ich in gebrochenem Hindi gesagt hatte, dass ich gerne Kharam Board lernen wollte, wandten sie sich bald wieder der indischen Seifenoper zu, wahrscheinlich mit der wohl weltweit verbreiteten Teenagereinstellung: "Ich bin viel zu tough und cool für solche Kinderspielchen, ich schaue jetzt lieber fern." Die jüngeren Butterflies jedoch waren jedoch begeistert und es gab erste Raufereien um die drei Mitspielerplätze. Die Regeln konnten sie mir mit wenig Englisch und viel Zeigen schnell erklären. Kharam Board kann man am ehesten als eine Art Minimalversion von Billiard erklären, man spielt es auf einem kleinen Holzbrett mit vier Löchern in den Ecken, statt Kugeln verwendet man kleine Holzscheiben und statt Billiardstöcken spezielle Schnipptechniken mit den Fingern. Es ist eine Möglichkeit mit wirklich einfachen Mitteln wirklich viel Spaß zu haben. Auch die 8- jährigen spielen so viel besser als ich, aber ich werde ja noch Zeit zum Lernen haben.
Was mir gerade beim Spielen immer wieder aufgefallen ist, ist die explosionsartige Aggression mit denen die Kinder reagieren, wenn sie sich unfair behandelt fühlen. Der Verdacht des Schummelns oder wenn jemand mitspielen will, aber gerade nicht darf, reicht aus, und schon startet eine wirklich bösartig aussehende Rangelei. Glücklicherweise greifen die anderen Kinder meist schnell ein und versuchen die Streithähne mit "No fight!"- Rufen und voneinander Wegzerren auseinanderzubringen und bereits weniger als eine Minute nach einer wirklich üblen Streiterei spielen die beiden Streithähne wieder friedlich miteinander.
Ich habe das Gefühl, dass die Kinder ein gutes Gefühl für Fairness haben. Sie haben sich beispielsweise immer für mich eingesetzt, wenn jemand versuchte, meine mangelnden Regelkenntnisse auszunutzen, mir gegenüber sind sie nicht agressiv. Vermutlich sind diese explosionsartigen Agressionsausbrüche einfach notwendig, wenn man auf der Straße lebt und sein Essen und andere Lebensbotwendigkeiten verteidigen muss. Außerdem sind die meisten der Kinder und Jugendlichen genauso schnell und explosionsartig beim Lachen. Der Nachtwächter im Raum erzählte mir das wirklich schlimme Ausschreitungen eher selten sind und versicherte mir auch, dass sein Job eigentlich gar so schwer ist, wie er auf dem ersten Blick erscheint, denn die Kids wären hier so zufrieden wie selten in ihrem Leben und wären darum meist in satter, fernsehberieselter, spielbereiter oder einfach nur schlafbedürftiger Stimmung.

Nachtrag: 3 Nächte später... (das Foto ist von diesem Abend)
Mittlerweile habe ich dank Bollywood Tanzmusik auch einen Zugang zu den Toughen und Coolen unter den Butterflies gefunden, ich denke ich werde "Wenn Du nicht gut tanzen kannst, tanze wild!" ab jetzt als Lebensmotto verwenden.

Samstag, September 16, 2006

Begegnung

Ich fahre mit einer Autorikscha im dichten Verkehr auf einer vierspurigen Hauptstraße in Delhi. Wir halten an einer Ampel. Mitten im Verkehr sitzt jemand auf dem Mittelstreifen. Ein alter Mann mit Stümpfen anstatt Beinen. Er sieht, dass ich ihn sehe. Unsere Augen treffen sich. Er kriecht auf die Straße, mitten zwischen die beiden Autos rechts neben mir.Die Ampel wird grün, die Fahrer geben Gas. Der alte Mann kann sich gerade noch auf den Mittelstreifen zurückretten.




Faruzina's Science Lab

Eine meiner Aufgaben beim Hope Project ist bei der fotografischen Dokumentation mitzuhelfen. Oben seht Ihr die Früchte meines ersten Auftrags: "Capture the excitement in Faruzimas Science Classroom".

Ich dachte das wäre gar kein einfacher Auftrag, doch nachdem ich einen Vormittag bei der Lehrerin Faruzina hospitiert hatte, schien es mir nicht mehr so schwierig. Es war so viel Neugier, Faszination und Argumentationsfreude im Raum, dass ich fast nur noch den Auslöser drücken musste.

Zum Hope- Project gehört eine Schule mit ca. 600 Schülern, die es sich als Aufgabe gesetzt hat, den Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen, die vom öffentlichen Schulsystem ausgeschlossen bleiben. Community Workers machen sich auf den Weg in die Haushalte, um die Eltern zu überzeugen, ihre Kinder zur Schule zu schicken und versuchen gemeinsam mit ihnen die sozialen und organisatorischen Hindernisse zu überwinden, die dies normalerweise verhindern. Einige dieser Gründe sind beispielsweise finanzielle Probleme, fehlende Papiere, durch Mangelernährung verursachte Konzentrationsprobleme, zu hohes Alter, mangelnde Sprachkenntnisse oder einfach, dass sie weiblich sind und daher Bildung nicht relevant für sie sei und sie sich ab einem bestimmten Alter sowieso besser nur noch in fest gesetzten räumlichen und sozialen Grenzen bewegen sollten. Ziel der Schule ist diese Kinder soweit auszubilden, dass sie in das weiterführende staatliche Schulsystem integriert werden können. Außerdem gibt es noch eine Abendschule für arbeitende Kinder, spezielle Unterstützungsklassen für Kinder im staatlichen Schulsystem und berufsqualifierende Maßnahmen, wie z.B. Vermittlung von Computerkenntnissen.

Diese Schule ist in vielen Aspekten ziemlich außergewöhnlich, falls Ihr noch weiteres Interesse habt kann ich Euch den Blog von Pritha Ghosh, dem Educational Advisor des Hope Projects empfehlen, dort findet Ihr auch noch mehr Fotos (http://curriculumathope.blogspot.com/). Pritha Ghosh ist ein energiegeladener Wirbelwind und hat sich mehr als zwei Stunden Zeit genommen (dann war sie heiser) mir gestenreich die Besonderheiten des pädagogischen Konzepts zu erklären. Ich war natürlich gespannt das Ganze in der Praxis zu sehen.

Meine Fotos zeigen besonders die Früchte der "inquiry- based education". In Faruzima´s Klasse ging es um die Anpassung von Organismen an ihre Umwelt und statt das Wissen im Frontalunterricht zu vermitteln, würde sie mit einer Frage wie: "Warum sehen die Pflanzen in der Wüste eigentlich anders aus als im Dschungel?" starten und die Schüler fangen dann an eigene Theorien zu entwickeln, warum das so sein könnte. Sie können der Lehrerin Löcher in den Bauch fragen und so schließlich ein eigenes Verständnis des Lernstoffs entwickeln. Auch wenn ich so gut wie kein Hindi verstehe, macht es wirklich Spaß am Unterricht teilzunehmen. Es liegt einfach so viel von dem in der Luft, was Wissenschaft wirklich faszinierend macht: Verwunderung, Neugier, sich zu trauen Fragen zu stellen, Wissen zu teilen, neue Erkenntnissen zu gewinnen und die Freude daran, Dinge zu verstehen. Außerdem muss ich bei Faruzima´s Gestik irgendwie immer an Sokrates denken.

Faruzima hat versucht mich zu überzeugen meinen neuropsychologischen Hintergrund mit einzubringen und vielleicht werden wir in einer der höheren Klassen wirklich Gehirne aus Gips formen und die wichtigsten sensorischen und motorischen Areale einzeichnen...



Ein erster Blick vom Hope- Project auf die Nachbarschaft.
Erste Eindrücke

Als ich in Delhi aus dem Flugzeug steige, schlägt mir feucht- heiße Luft entgegen. Das Rollfeld des Flughafens ist auch nachts von wahren Menschenmassen bevölkert, viel mehr Menschen arbeiten hier als an einem europäischen Flughafen. Oder sie schlafen hier. Wirklich: auf den Gepäcktransportlastern oder in halboffenen Baracken auf dem Rollfeld schlafen dicht gedrängt Arbeiter.
Nachdem ich die Einreiseformalitäten hinter mich gebracht habe und mein Gepäck abgeholt habe, finde ich schließlich den Taxifahrer mit dem Schild "Mr. Eckhoff", der mich abholen soll. Er ist etwa halb so groß wie ich und scheint kein Englisch zu sprechen. Aber er hat eine Karte von meinen Gastgebern beim Hope- Project (http://www.hopeprojectindia.org/) bekommen. Als wir endlich zum Parkplatz kommen und er mein Gepäck in den Wagen laden will, reißt ihm ein junger Mann meinen Rucksack aus der Hand. Glücklicherweise rennt er nicht damit davon, sondern wirft ihn in den Kofferraum. Mein erschöpftes Gehirn schafft es mit einer schlaflosigkeitsbedingten Verzögerung gerade noch sich über die sonderbare Szene zu wundern, als sich die Situation aufklärt: Der junge Mann möchte wirklich ein Trinkgeld für seine aufopferungsvolle Gepäckträgerdienste. Ich erkläre ihm, dass ich noch gar kein Kleingeld habe, während sich noch mehr junge Männer um mich versammeln, einige von ihnen reden auf meinen "Gepäckträger" ein. Ich fliehe ins Auto.
Auf der Autostraße zeigt sich der wahre Charakter meines schweigsamen kleinen Fahrers. Hupen ist die Hintergrundmusik des indischen Straßenverkehr, aber mein Fahrer ist selbst für Indien wirklich etwas besonderes. Sobald er einen anderen Verkehrsteilnehmer erblickt, fängt er an zu hupen und überzieht den anderen mit einem Blitzlichtgewitter aus seiner Lichthupe. Seine Außenspiegel sind sicherheitshalber schon mal eingeklappt, um sich durch kleinste Lücken zwischen zwei Lastwagen hindurchzwängen zu können. Erst nach einiger Zeit finde ich heraus, das zumindest für die meisten anderen Fahrer in Indien Linksverkehr geboten ist. Rote Ampeln haben sowieso nur dann ein Wirkung, wenn ein Polizist danebensteht, man kann ja hupen, um seine Ankunft anzukündigen.
Mein kleiner Fahrer mit seinem neuen Taxi kann es sich erlauben, als Autofahrer ist er einer der stärkeren Verkehrsteilnehmer, ein "Maharadscha of the road". Es ist unglaublich was sich auf dieser mehrspurigen Autostraße tummelt: Fussgänger mit großen Handwagen, Lastenfahrräder, Hunderudel und natürlich die obligatorischen Kühe. Dazu unzählige Autorikschas, eine Art Kreuzung aus Rikscha und Motorrad, einige davon mit großem Schriftzug "Please horn!", als wenn Inder dazu einer Aufforderung bedürften. Wir überholen hupend einen Motorroller. Hinten sitzt eine junge Frau, ihre langen schwarzen Haare und ihr roter Sari mit goldenen Stickereien wehen im Fahrtwind. Vor ihr sitzt der Mopedfahrer. Als wir an ihnen vorbeiziehen sehe ich, dass zwischen den beiden irgendwie noch zwei kleine Jungen Platz auf dem Moped gefunden haben.
Am Straßenrand schlafen einzelne Menschen und ganze Familien. Auch nachts sind überall noch kleine Verkaufsstände geöffnet.Wir überleben die Fahrt, obwohl sich mein Fahrer noch mit einem der kunstfertig verzierten Lastwagen anlegt, der aber bremsenquietschend aufgibt und uns widerwillig Vorfahrt gewährt. Als ich denke, dass das Schlimmste hinter mir ist und der Verkehr sich beruhigt, fängt mein Fahrer plötzlich an in dunkle menschenleere Sackgassen zu fahren, dreht wieder um, hält kurz an und spricht mit Menschen an der Straße. Ich werde langsam nervös. Er hat sich wohl verfahren.
Schließlich halten wir kurz vor Mitternacht in einer Gasse voller Menschen und sonderbarer Gerüche, die zu eng für das Auto ist, mein Fahrer springt wortlos aus dem Auto, glücklicherweise kommt er eine kurze Zeit später wieder zurück. Er zeigt in die Dunkelheit und scheint mir wohl zu verstehen zu geben, dass unsere Fahrt hier endet und ich aussteigen soll und von hier an selbst meinen Weg finden kann. Ich bin glücklicherweise gerade noch geistesgegenwärtig genug, um ihm irgendwie zu verstehen zu geben, dass er erst sein Geld bekommt, wenn er mich zu dem Ort auf seiner Karte bringt und mich dort beim "Security Guard" abgibt. Wir laufen durch das schmale Gassengewirr und erreichen schließlich ein großes Gebäude mit dem Schriftzug und dem Zeichen des Sufi- Ordens, der Gründer und einer der Hauptträger des Hope- Projekts ist. Wir klingeln: keine Antwort. Schaulustige sammeln sich, der Taxifahrer redet mit ihnen. Ein hilfsbereiter Mann fängt an Sturm zu klingeln. Wir warten. Keine Anwort. Ich fange schon an, mir Hotels in der Gegend aus dem Reiseführer herauszusuchen. Dann plötzlich ist der Taxifahrer verschwunden. Ein freundlicher Inder bietet mir sein Handy an, um meine Kontaktnummern anzurufen. Dort ist auch keiner zu erreichen. Ich biete ihm Geld für seine Handykosten an, er weigert sich lächelnd, es anzunehmen. Der Taxifahrer bleibt verschwunden.
Nach langer Zeit des Wartens öffnet sich schließlich die Tür, mir fällt ein Stein vom Herzen ich sage: "My name is Simon Eickhoff, I think that you are expecting me", doch der junge Mann, der die Tür geöffnet hat schaut mich ratlos an, auch er spricht kein Englisch. Ich würde jetzt gerne hineingehen und die Tür hinter mir schließen, doch der noch unbezahlte Taxifahrer bleibt immer noch verschwunden und dieser junge Mann scheint jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem er aus dem Bett geklingelt wurde, noch nichts von meiner Ankunft gewusst zu haben. Schließlich taucht auch der Taxifahrer wieder auf, vielleicht hatte er einen anderen Eingang gesucht, ich gebe ihm ein gutes Trinkgeld für die lange Zeit die er, mit mir gewartet hat.
Schließlich tritt eine Frau aus einem der Gebäude um den Innenhof zu uns hinzu, die wir wohl auch aufgeweckt haben, glücklicherweise spricht sie Englisch. Ich hätte dem Taxifahrer doch kein Trinkgeld geben sollen, wie sich nämlich herausstellte hatte er mich zum falschen Ort gebracht, nämlich dem Mausoleum des Ordensgründers Hazrat Inayat Khan und nicht zum Hope- Project. Ich bitte die aus dem Schlaf Aufgeweckten vielmals um Entschuldigung. Sie haben Verständnis für meine Situation und der junge Mann bietet sich an mich zum Hope- Project zu bringen. Dort wartet bereits der Nachtwächter seit einiger Zeit auf mich. So erreiche ich schließlich den Ort, der den nächsten Monat lang meine Heimat sein wird.